Die drei Säulen des BFSG

Es ist nicht zu leugnen, dass das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ein kompliziertes, langes und selbstverständlich juristisch-komplex formuliertes Dokument ist (und das fängt ja bei seinem Namen an). Auch, wenn ich natürlich kein Jurist bin oder eine Glaskugel in die Zukunft besitze, will ich im Folgenden versuchen, das BFSG auf seine wesentlichen Bestandteile (und wie ich sie verstanden habe) in Bezug auf E-Commerce herunterzubrechen.

Die Grundlage hierfür bildet sowohl meine Recherche bis dato sowie eine technica11y.de-Ausgabe mit Sven Niklas (das Video wird zugänglich nachgereicht). Herr Niklas ist Fachreferent bei der Bundesstelle für Barrierefreiheit1 , Jurist und versucht, viele entstehenden Fragen zu BFSG zu beantworten (neben der technica11y-Ausgabe gibt es von der Bundesstelle übrigens eine sehr empfehlenswerte Sammlung häufiger Fragen und Antworten zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz).

Neben dieser Betrachtung „nach bestem Wissen und Gewissen“ einer Behörde, die das Gesetz nicht formuliert hat, aber erklären darf, sind für mich drei Grundpfeiler des BFSG sichtbar geworden:

1. Es ist ein Verbraucher*innenschutzgesetz

Die Stoßrichtungen der EU-Richtlinie 2019/882, die in Deutschland in Form des BFSG umgesetzt wurde, ist einerseits eine Harmonisierung des EU-Marktes in bestimmten, vom Gesetz umfassten Bereichen. Andererseits soll sie aber auch Verbrauchern und Verbraucherinnen in der Europäischen Union Rechte auf Zugang an die Hand geben und Anbietende demzufolge auf Barrierefreiheit verpflichten.

Vereinfacht gesagt und gleichzeitig in der Sprache der Betriebswirtschaft formuliert, heißt das, dass das BFSG ein „B2C“-Gesetz (Business to Consumer) ist und Nutzende auf Geschäft-zu-Geschäft-Niveau nicht betroffen sind. Praktisch frage ich mich allerdings schon, wie man B2B und B2C rechtssicher trennen will. Es mag in vielen Fällen am Vernünftigsten sein, auch den B2B-Bereich mit dem „für den B2C-Bereich erworbenen Wissen um Zugänglichkeit“ barrierefrei zu gestalten.

2. Es geht, ganz abstrakt, um Verträge mit diesen

Konkret auf das Thema „E-Commerce“ heruntergebrochen geht es um Verträge mit Verbrauchenden, die auf digitalem Wege entstehen. Zitate 1 Abs. 3 Nr. 5 und § 2 Nr. 26 BFSG:

Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, die für Verbraucher erbracht werden [...] Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.

Wenn man sich die abstrakte Definition von „Vertrag“ bzw. „Vertragsschluss“ im Bürgerlichen Gesetzbuch2 anschaut, fällt auf, dass ein Geldfluss kein zwingender Bestandteil eines Vertrages darstellt. Vielmehr geht es um zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Auch ist im BFSG nicht ausdrücklich von einem Kaufvertrag die Rede.

3. Das BFSG umfasst auch die Vertragsabahnung

Nach Ansicht von Sven Niklas, wie erwähnt Referatsleiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, ausgebildeter Jurist und bester Ansprechpartner, den wir zur Zeit haben, ist auch die Vorbereitung auf diesen Verbrauchervertag entscheidend. Das BFSG umfasst nach dieser Lesart die Vertragsanbahnung, das heißt zum Beispiel:

  • Informationen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung, die man per Online-Shop erwerben kann. Das heißt in der Praxis wohl, dass auch Infoseiten zu z. B. Produkten barrierefrei gestaltet werden müssen. Dass über die Barrierefreiheit selbst informiert werden muss, regelt BFSG, Anlage 33 . Mehr zu den Informationspflichten im eigenen Blogartikel zum Thema.
  • Online-Formulare, die mit dem wie auch immer gearteten Erstehen der Ware oder Dienstleistung zu tun haben.
  • Andere digitale Wege, da es ja um eine - wie oben zitiert - „elektronische Anfrage eines Verbrauchers“ zum Zwecke eines Vertrages geht.

Auch wenn dies nur eine juristisch-abstrakte Betrachtung des Wortlaut des Gesetzes ist, und erst die Zeit zeigen wird, wie Gerichte und vor allem Marktüberwachungsbehörden handeln, entscheiden und ggf. strafen werden, steht doch aktuell schon fest: Unter anderem E-Commerce-Projekte sind im Rahmen (bald) kommender Regularien zugänglich zu machen. Und wie genau das für Sie funktionieren könnte, erklärt mein Projekt „E-Commmerce Barrierefrei“ anhand der Europäischen Norm zur Digitalen Barrierefreiheit, EN 301 549. „E-Commerce Barrierefrei“ wird im Spätsommer 2024 erscheinen und einen Link zur Vorbestellung finden Sie oben im Seitenkopf.

  1. hier eine kleine Einordnung, was die Behörde ist – und was nicht: https://e-commerce-barrierefrei.de/blog/stellenangebote
  2. § 145 ff. BGB
  3. https://bfsg-gesetz.de/anlage-3/