Welche Vorgaben sind denn nun für das BFSG relevant?

Eigentlich ist die Frage einfach: Wenn man z. B. Web-Shop-Betreibender ist und sein E-Commerce-Projekt zugänglich und mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) konform machen will, an welche Vorgaben hat man sich dann zu halten? Immerhin sind viele Online-Shops ja komplexe digitale Projekte und Umbauten benötigen eine gewisse Vorlaufzeit. Kurz: man muss rechtzeitig wissen, welche Normen man ab dem Stichtag 28.6.2025 einzuhalten hat.

Es stellt sich heraus: Die Beantwortung dieser Frage ist einerseits sehr schwierig, andererseits aber auch ziemlich leicht (Hier geht es zum Fazit und der Antwort auf diese Frage, wenn Sie es eilig haben).

Schwierig…

…weil sich das Gesetz zunächst ziemlich allgemein äußert. Eine - in unserem Fall: Dienstleistung – ist barrierefrei laut Paragraph 3 BFSG,

wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. 1

Im nächsten Paragraphen (§4) ist immerhin schon von Normen und technischen Spezifikationen die Rede:

…von Barrierefreiheit wird ausgegangen, wenn sich [...] eine Dienstleistungen die anzuwendenden, harmonisierten Normen bzw. technischen Spezifikationen einhält.2

Zurück in Paragraf 3 3 wird angekündigt, dass eine Rechtsverordnung zum BFSG erlassen wird, die „technische Spezifikationen“ bereithalten wird. Diese Rechtsverordnung ist am 22.6.2022 in Form der „Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ (BFSGV) 4 erschienen. Diese wiederum bescheinigt eine Erfüllung der Anforderungen, wenn „der Stand der Technik“ beachtet wird 5 , vor allem aber werde die Bundesfachstelle Barrierefreiheit die zu beachtenden Standards regelmäßig veröffentlichen. Dass sie dies zum Zeitpunkt dieses Artikels (Januar 2024) allerdings noch nicht getan hat, lässt manche IT-Fachkanzleien zum Schluss kommen, das BFSG und seine Verordnung seien in Bezug auf Umsetzungs-Vorgaben nicht praxisnah, kryptisch und arg generisch und würden für Umsetzende einen konkreten Maßnahmenplan erschweren.

Einfach

Die Antwort auf die Frage, welche technischen Standards für z. B. Online-Shops und das BFSG relevant sind, ist aber wiederum auch ziemlich einfach zu beantworten. Grund dafür ist, dass die Bundesfachstelle in ihrem „Häufigen Fragen“ zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz zwar angibt, noch keine Informationen zu haben, aber andererseits auf eine relevante Norm verweist:

Die harmonisierte Europäische Norm (EN) 301 549

Und auch oben genannte IT-Kanzlei tut dies, sowie jede Barrierefreiheits-Fachkraft, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Dass die EN 301 549 die zentral wichtige Norm für die Barrierefreiheit vom Digitalprojekten im BFSG wird, lässt sich aus zwei Faktoren herleiten:

  1. Die Norm ist nicht neu, sondern regelt bereits seit 2016 die Vorgaben für Web- und App-Barrierefreiheit für den Öffentlichen Sektor der EU-Mitgliedsstaaten 6 . Zur Zeit ist die Version 3.2.1 die aktuellste Fassung.
  2. EN 301 549 wird momentan für die Direktive 2019/882 (dem „European Accessibility Act“ bzw. Vorlage fürs BFSG) aktualisiert 7 . Aktuell lässt sich vermuten, dass diese neue Version der Europäischen Norm die Versionsnummer „4.1.1“ tragen wird. Gerüchteweise wird diese neue Fassung 2025 oder 2026 veröffentlicht werden.

Sich also auf eine Norm vorzubereiten, die noch gar nicht veröffentlicht wird, scheint nur auf den ersten Blick absurd und vielleicht unfair. Bei genauerem Hinschauen sollte man die aktuelle Version der EN 301 549 als Basis für die eigenen Barrierefreiheitsbestrebungen nehmen. Das ist übrigens auch Tenor der Schöpferinnen und Schöpfer dieser Norm. Die Version 3.2.1 der Norm liegt hier auf Englisch vor (PDF), eine deutschsprachige Fassung ist hier beim Beuth-Verlag zu erstehen 8 und vor allem die Grundlage des öffentlich dokumentierten BIK BITV-Tests 9 . Hier ist entweder eine Selbstbewertung oder ein Expertentest möglich.

Mit diesen Mitteln und Ressourcen kann man sich also auf kommende Anforderungen vorbereiten, auch wenn diese ein Jahr vor Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht veröffentlicht sind. Mein Projekt „E-Commerce Barrierefrei“ gibt Hinweise, Ratschläge und Best Practices auf Grundlage meiner Erfahrung mit der EN 301 549 als BIK-Prüfstelle. Und bestimmte Aspekte der EN-Aktualisierung sind bereits jetzt klar: So wird die seit Oktober 2023 aktuelle Web Content Accessibility Guidelines-Fassung WCAG 2.2 auch in die neuste Fassung der Europäische Norm 301 549 Einzug finden – ein entsprechendes Testverfahren dazu hält der BIK BITV-Test bereits jetzt bereit. Wie immer gilt: per unten stehender Mailingliste kann man über den Start des Projektes „E-Commerce Barrierefrei“ auf dem Laufenden bleiben:

Ja, ich möchte über den Start von „E-Commerce barrierefrei“ informiert werden

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